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Der Traum von der Seelandschaft braucht vor allem viel Wasser

Wer an Sonnentagen einen Ausflug zum Blausteinsee in Eschweiler unternimmt, der bekommt vieles geboten: den Blick auf einen von wachsender Natur umrandeten See, auf kleinere Segelboote und Surfbretter. Das Angebot umfasst auch eine Wanderroute, eine Skatestrecke, einen Strand und ein Restaurant.

„VON PATRICK NOWICKI UND RENÉ BENDEN“ – Aachener Zeitung

Die Stiftung Rheinische Kulturlandschaft betreibt das Naturhaus Rheinland am Seezentrum und veranstaltet verschiedene Naturprojekte mit Jugendlichen und Kindern. Das Idyll scheint perfekt, ist aber zerbrechlich. Der Blau­steinsee muss weiterhin mit Wasser aus dem Tagebau Inden gespeist werden, ansonsten sinkt der Pegel kontinuierlich.

 

 

Bis zum Jahr 2030 wird weiterhin Wasser nach Eschweiler gepumpt, die jährlichen Kosten in Höhe von mindestens 50.000 Euro übernimmt bis dahin RWE — aus Kulanz, denn rechtlich verpflichtet ist der Energiekonzern dazu nicht. Eigentlich sollte die Blausteinsee GmbH, der die umliegenden Kommunen angehören, die Wassereinspeisung bezahlen.

Dies übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der Gesellschaft allerdings bei weitem. Offen ist, was nach dem Ende des Tagebaus Inden passiert. Die wahrscheinlichste Variante: Wasser wird aus der Rur in den Blausteinsee geleitet, bis der Grundwasserspiegel so gestiegen ist, dass der Wasserpegel ohne zusätzliche Einspeisung konstant bleibt. Nach aktuellen Gutachten wird dieser Zustand im Jahr 2070 erreicht sein.

Der Erftverband, aber auch RWE selbst haben vor Jahren vor diesem Szenario gewarnt. „Der Blausteinsee gleicht einem Gartenteich in einem Sandkasten“, beschreibt Dr. Stephan Lenk die Situation. Er arbeitet als Hydrogeologe beim Erftverband, der am Genehmigungsverfahren beteiligt war und in einer Stellungnahme im Jahr 1987 beschrieb, dass über einen langen Zeitraum Wasser zugefügt werden müsse.

Vor allem die Stadt Eschweiler unter Bürgermeister Erich Berschkeit beharrte in den 80er Jahren darauf, den Tagebau Zukunft nicht mit Erde, sondern mit Wasser zu befüllen. Der Blau-steinsee solle als Ausgleich für die jahrzehntelange Belastung der Bürger durch den Braunkohletagebau dienen, hieß es. Diese Rechnung ging zumindest auf, denn der See ist ein beliebtes Freizeitziel geworden.

Für die Wasserwirtschaftler und die Genehmigungsbehörden kann der Blausteinsee allerdings kaum als Blaupause für die anderen geplanten Restseen im Rheinischen Revier dienen. „Die Bodenverhältnisse in Hambach, Inden und Garzweiler sind andere“, betont Lenk.

Die derzeitigen Pläne sehen vor, dass der Tagebau Inden ab 2030 geflutet wird und schon nach fünf Jahren von Wassersportlern genutzt werden kann. Zwar würde sich die Kuhle von alleine mit Wasser füllen, aber dieser Prozess würde Jahrzehnte dauern. Also wird ebenfalls Wasser aus der Rur für den sogenannten Indeschen See entnommen, um den Pegelanstieg zu beschleunigen. Der endgültige Wasserstand soll 30 Jahre später erreicht sein.

Dann liegen Orte wie Schophoven, Merken und Inden-Altdorf unmittelbar am See, der mit einer Fläche von 1160 Hektar so groß wie der Tegernsee und damit für einige Jahre der größte See Nordrhein-Westfalens wäre. Diese Perspektive reizte die Gemeinde Inden im Jahr 2006 dermaßen, dass sie für einen Restsee stimmte und diesen auch unter anderem gegen den Widerstand der Stadt Düren planungsrechtlich durchsetze.

Ursprünglich war dort von RWE eine Verfüllung mit Erde vorgesehen. Die Tagebaue Garzweiler und Hambach sollten von Anfang an Seen weichen, wobei die genaue Lage und Größe der Gewässer noch nicht feststehen — der veränderte Braunkohleplan muss noch rechtskräftig werden.

Gutachten im Auftrag der Grünen

So verheißungsvoll sich die Pläne auch lesen, die Landtagsfraktion der Grünen meldete im September 2015 Zweifel. Sie hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem es heißt, dass es fraglich sei, „ob der Inden-See sein Flutungsziel von 92 Metern über dem Meeresspiegel überhaupt erreichen und ohne dauerhafte Fremdwasserzufuhr permanent halten kann“. Im Kern geht der Gutachter Professor Ralf E. Krupp aus Burgdorf davon aus, dass die Höhenunterschiede der geplanten Seen dazu führen, dass Wasser in den jeweils tiefer gelegenen See abfließt.

Von einer „Kaskade der Wasserstände vom Blausteinsee über den Inden-See und Hambach-See in die abgesenkte Erft“ ist die Rede. Im Ergebnis wären die Pegel deutlich niedriger als vorgesehen. Beim Erftverband stößt dieses Gutachten auf harsche Kritik: „Es werden Ängste geschürt, dies hat nichts mit der tatsächlichen Situation zu tun“, sagt Lenk.

In seinen Augen besteht zwischen den einzelnen Seen keine Verbindung. Tektonische Störungen im Boden, also Verwerfungen im Untergrund führten dazu, dass wasserundurchlässige Schichten einen Wasseraustausch verhindern. Als Veranschaulichung: „Dies ist so, als würde man Gläser mit Wasser in unterschiedlicher Höhe halten — da fließt auch kein Wasser von einem Glas in das nächste.“ Zahlreiche „qualifizierte Fachbeiträge mit Hand und Fuß“ ließen keinen Zweifel an den Restseeplänen. Das Krupp-Gutachten bewertet er als „Parteigutachten“.

Zukunftsszenarien

Zahlreiche Initiativen beschäftigen sich schon lange mit Zukunftsszenarien für die Braunkohleregion. Die Indeland GmbH legte einen Masterplan vor, der auch die mögliche touristische Entwicklung am Indeschen See berücksichtigt. „Es gibt für uns keine sachlichen Gründe, daran zu zweifeln, dass sich die Seen wie geplant entwickeln“, sagt Indeland-Geschäftsführer Jens Bröker.

Die Planverfahren für die Restseen werden von zahlreichen Fachleuten flankiert und bewertet. Die Alternative für den Tagebau Inden hätte die Bürger ohnehin wenig erfreut: Ursprünglich war im Braunkohlenplan eine 5,5 Kilometer lange Bandstraße, vorbei an 8000 Menschen in sechs Ortschaften, vorgesehen, die Material vom Tagebau Hambach nach Inden transportieren sollte.

Die Frage, wie es um die Wasserqualität in den Restseen bestellt ist, kann hingegen nicht eindeutig beantwortet werden. Umweltverbände kritisieren, dass allenfalls in den Uferregionen ökologisch wertvolle Bereiche bestehen. Wegen der Beschaffenheit des Wassers geriet der Blausteinsee mehrfach in die Schlagzeilen. Zuletzt sorgte der hohe Eisengehalt für Diskussionen.

Im Wasser oxidiert es zu Rost, der die Sicht der Taucher beeinträchtigt. Dass sich die Beschaffenheit des Wassers, das aus dem Tagebau Inden zugeführt wird, verändert, verwundert die Experten nicht. Die Bodenschichten, die Jahrtausende unter der Oberfläche schlummerten, reagieren mit der Luft und sind zudem unterschiedlich beschaffen.

Die Gutachter von Tuttahs & Meyer sehen darin kein Problem für die biologische Beschaffenheit des Blausteinsees. Lenk rechnet jedoch im Jahr 2030 mit einer „hydrochemischen Zäsur“, weil das Wasser, das voraussichtlich aus der Rur stammt, eine andere Zusammensetzung habe als das derzeit hinzugefügte Grundwasser. Es habe aber immer noch eine gute Qualität, ergänzt er.

Rechnung der Gutachter

In der Blausteinsee GmbH blickt man gelassen auf das Jahr 2070. Die Gutachter errechneten, dass der Pegel dann nicht nur ohne Ausgleichswasser durch Bodenverdichtung und stabile Grundwasserpegel beständig bleibt, sondern auch die gefürchtete Eutrophierung (das biologische „Umkippen“) des Sees auszuschließen sei, wie GmbH-Geschäftsführer Hermann Gödde betont.

In der Expertise untersuchten Professor Dr.-Ing. Markus Schröder von Tuttahs & Meyer und seine Kollegen auch ein rundes Dutzend Varianten, wie die Wasserversorgung des Sees nach dem Ende des Tagebaus sichergestellt werde. „Unser klarer Favorit ist eine Versorgung aus der Rur bei Schophoven“, erklärt Gödde. Bis zum Kraftwerk Weisweiler könnte man eine bestehende, erst wenige Jahre alte Leitung von RWE nutzen, der letzte Abschnitt bis zum See müsste neu gebaut werden.

Billig wird dies nicht: Die Pumpkosten muss die See-GmbH übernehmen. 2,5 Millionen Euro werden die geschätzten Erstinvestitionen betragen, die Betriebskosten summieren sich auf sieben Millionen Euro. In Anbetracht der angespannten Finanzsituation der Blausteinsee-GmbH ruht die Hoffnung auf Fördertöpfen. Vor 2025, so war die einhellige Meinung der Beteiligten, werde man keine Pläne auf den Tisch legen können. Fünf Jahre bleiben dann bis zum Ende des Tagebaus Inden. Diese Zeit sollte nach Expertenmeinung ausreichen, um die Versorgung des Sees mit Wasser in den erforderlichen Genehmigungsverfahren zu sichern.

Zig Millionen Kubikmeter Wasser aus Rur, Erft und aus dem Rhein

Hydrologen gehen davon aus, dass die Höchstpegel in den Tagebaurestseen alleine mit dem Anstieg des Grundwasserspiegel erreicht werden. Da dieser jedoch sehr langsam steigt, wenn die Pumpen von RWE stillstehen, wird Wasser aus umliegenden Flüssen in die Tagebaulöcher geleitet.

Für den sogenannten „Indesche Ozean“ soll Wasser aus der Rur entnommen werden. Etwa 800 Millionen Kubikmeter Wasser sind bis zum Jahr 2065 erforderlich, ehe der ehemalige Tagebau Inden voll gelaufen ist. Schon im Jahr 2035 soll der See genutzt werden können.

Die genauen Maße des Garzweiler Sees stehen nach der Änderung des Braunkohleplans vor eineinhalb Jahren noch nicht fest. Ab dem Jahr 2045 sollen etwa 40 Jahre lang rund 60 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich aus dem Rhein in das Loch geleitet werden. Planer gehen von einer maximalen Tiefe von 185 Metern aus. Die genaue Wassermenge und -fläche wird nich festgelegt.

Auch zum Hambacher See ist das letzte Wort noch nicht gesprochen worden. Fest steht nur, dass er der größte Restsee im Rheinischen Revier wird. In der Ursprungsplanung sollte er eine Fläche von 4200 Hektar, eine Tiefe von bis zu 400 Meter und ein Volumen von 3,6 Milliarden Liter umfassen.

Unsicher ist, wie der See gespeist werden soll. Es bestehen sowohl Überlegungen, Wasser aus der Rur und der Erft zu nehmen, als auch Pläne, über eine Pipeline Rheinwasser in das Tagebaurestloch zu leiten. In jeder dieser Varianten gehen Experten von einer jahrzehntelangen Befüllung aus.

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